Bundesfamilienministerin Schmidt ruft zum „lokalen Bündnis für Familien“ auf

C. Humme, R. Schmidt, S. Leidemann, K. Striepen
C. Humme, R. Schmidt, S. Leidemann, K. Striepen

"Wir haben nach Luxemburg das höchste Kindergeld in Europa, aber trotzdem die niedrigste Geburtenrate," sagte Bundesfamilienministerin Renate Schmidt bei einem Besuch in Witten.

"Seit drei Jahrzehnten wurde beim Thema Familienförderung immer nur über Geld geredet." Entscheidungen für ein Kind träfen junge Menschen aber nicht "wegen zehn Euro mehr oder weniger".
Deshalb sei es höchste Zeit, die Rahmenbedingungen für Familien wesentlich zu verbessern. Auf Einladung der beiden heimischen SPD-Bundestagsabgeordneten Christel Humme und René Röspel sprach sich die Ministerin bei der Veranstaltung "Baby. Bildung. Boom" vor 120 Fachleuten aus dem gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis und Hagen für die Bildung "lokaler Bündnisse für Familie" aus.
Junge Menschen in Deutschland wünschen sich durchschnittlich "2,4" Kinder. Tatsächlich sind es dann "1,29", also gerade die Hälfte. 30 Prozent der Frauen und Männer bleiben kinderlos. In Frankreich sind es nur zehn Prozent. Von den Akademikerinnen bleiben sogar 44 Prozent ohne Kinder.
Mit diesen Zahlen machte Renate Schmidt deutlich, dass dringend etwas geschehen muss, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können.
Zum Beispiel durch flexiblere Angebote der Kindertagesstätten, mehr Angebote für unter Dreijährige, besser abgestimmte Busfahrpläne, aber auch durch flexiblere Arbeitszeiten und familienfreundliches Engagement von Unternehmen.
"Hier geht es um betriebswirtschaftliche Überlegungen," machte Renate Schmidt deutlich. Schon in wenigen Jahren gebe es einen so großen Fachkräfte-Mangel, dass sich keine Firma mehr leisten könne, gut ausgebildete Frauen für zehn Jahre an Herd und Kinderbett zu schicken.
Familienfreundlichkeit werde zu einem ernst zu nehmenden Standortfaktor für die Wirtschaft.
Deshalb sollen sich vor Ort neben Stadt und Kindergartenträgern, Eltern und Vereinen auch Unternehmen im "Bündnis für Familien" engagieren.
Die Spitzenverbände der Wirtschaft würden ihr Anliegen inzwischen unterstützen, sagte die Ministerin: "Wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass es bald eine Industrie- und Handelskammer geben werde, die sich um Kinderbetreuung in Betrieben kümmert, dann hätte ich den für einen Spinner gehalten."
Inzwischen macht die IHK Fulda genau das. Und auch die SIHK zu Hagen ist dabei, ein entsprechendes Dienstleistungssystem aufzubauen, sagte SIHK-Mitarbeiterin Ingeborg Schulz.
Auslöser war übrigens die entsprechende Anfrage eines Unternehmers. Inzwischen haben sich bereits 64 Bündnisse in Deutschland gegründet, die immerhin zehn Millionen Menschen betreffen. Weitere 184 lassen sich vom eigens eingerichteten Service-Büro des Ministeriums beraten.
Herdecke könnte das 185. werden. Jugendhilfe-Ausschuss-Vorsitzende Karin Striepen (SPD) berichtete, dass ein entsprechender Beschluss einstimmig gefasst wurde.
Auch Witten könnte bald ein solches Bündnis gründen, teilte SPD – Bürgermeisterkandidatin Sonja Leidemann mit.